Was für ein Sommer


so nach und nach werde ich hier Seiten mit kleinen Geschichten oder Törnberichten einstellen, Reihenfolge garantiert nicht chronologisch und auch nicht immer autobiografisch, manchmal vielleicht sogar erfunden. Wer es gut findet, empfiehlt diesen Blog bitte weiter.

unser Hafen Eendracht in Heeg (Foto privat)

Seit Wochen ist der Himmel grau in grau und im Garten gedeiht durch die regelmäßigen Niederschläge alles prächtig. Die Regentonne ist voll und die Aussichten auf den Segelurlaub sind so trübe wie das Wetter.
Wir hatten so auf Sonne, Wind zwischen 3 und 5 für unseren ersten kleinen Törn mit dem neuen Boot gehofft.

Compromis 999 unser neues Boot
Start am Samstag, das Boot ist klar, ich habe dem Hafenmeister eben noch mitgeteilt, dass wir wahrscheinlich 2-3 Wochen weg sein werden und wir legen ab. Das Wetter ist merkwürdig. Die Sonne scheint seit kurzem, kleine Wolken am Himmel, 26 Grad und der Wind kommt mit 3 Bft. aus Nord-Ost, d.h. wir segeln raumschots von Heeg nach Stavoren. Die kleine Strecke haben wir zwar schon hundert mal gemacht, aber mit diesem Boot zum ersten mal.
Morgen wollen wir gemütlich Richtung Süden übers Ijsselmeer. In Stavoren ist im Gemeindehafen alles voll, übervoll. In der Binnenmarina aber bekommen wir eine angenehme Box. Lt. Hafenmeister hat er noch genug Platz für Passanten. Warum drängeln sich die Leute dann in 5er-Päckchen an der Spundwand des Gemeindehafens, fragen wir uns.

Sonntagmorgen nach einem schönen Frühstück in der Sonne, fahren wir zur Johan-Friso-Schleuse um uns anzustellen, schließlich war gestern Abend schon ein großes Gedränge. Es ist halb zehn und wir sind ganz allein vor der Schleuse. Keine 5 Minuten später springt die Ampel schon auf grün, eilig kommen noch 3, 4 Boote mit uns in die Schleuse. Der Wind kommt weiter aus Nord-Ost. Die Sonne scheint und der Himmel tut so als wäre er immer schon nur blau gewesen. Wir setzen den Blister und segeln Richtung Enkhuizen, herrlich diese Ruhe. Durch das Aquadukt geht es weiter nach Hoorn, wir steuern den Grashaven an (wie immer).

Der Montag beginnt mit frischen Brötchen aus dem Hafenshop, viel Sonne und leichtem Wind aus Nord-Ost. Wohin? Ingrid möchte mal wieder nach Muiden- also Muiden. Blister hoch und genüsslich an Marken vorbei. Vor Pampus umkreist uns ein Motorboot und wir werden fotografiert. Wir rätseln noch was das soll, da wirft uns ein junger Mann von dem Motorboot aus einen Ball zu. Aufschrift : WWW.Zeilfotograaf.nl. (die Firma gibt es wohl nicht mehr) Wir können uns die Bilder im Internet ansehen und bei ihm bestellen. Vielleicht gar nicht schlecht. Ich habe immer Probleme gehabt, unsere Boote auf dem Wasser zu fotografieren.



das ist eine der Aufnahmen, die der Zeilfotograaf gemacht hat

Wir erreichen Muiden, es ist heiß. Wir sitzen an der Schleuse und trinken eiskaltes Bier. Perfektes Kino. Wer hier schon mal zugesehen hat, weiß wovon ich rede. Der Wetterbericht für morgen lautet Wind aus NO, tropische Temperaturen, genauso für übermorgen und überübermorgen usw.: prima.
Wir fahren durch die Oranjeschleuse über Amsterdam nach Ijmuiden an der Nordsee, das geht allerdings nur unter Motor.
Ein Liegeplatz in Ijmuiden heißt, wir machen Strandurlaub und kommen uns vor wie in Spanien
Wie geht’s weiter? Entweder nach Norden zu den Inseln oder nach Süden. Es gab zwei Entscheidungshilfen, erstens der Wind aus NO und zweitens die Empfehlung eines Boxennachbarn unbedingt nach Scheveningen zu fahren – so "gezellig".

Ijmuiden- Scheveningen. Der Blister ist oben, der Wind bläst mit ca. 2-3 BF, es geht immer am Strand entlang. Nach zwei Stunden ist der Wind weg und wir treiben einfach mit der Strömung weiter. Manchmal ist es ganz nützlich vorher in den Tidenkalender zu schauen. Ich bekomme die Thermoskanne mit dem Kaffee nicht auf. Der Deckel klemmt, der Tipp von Ingrid aus der Kombüse dazu lautet: "Das Ding finde ich sowieso doof, wenn du es nicht aufkriegst, schmeiß es über Bord". Gute Idee, für Kaffee ist es eh zu heiß. Weg damit. Wir haben keine Thermoskanne mehr.
Die Geräte fallen aus, kein Log, kein Lot, kein Radio und kein Autopilot mehr, die Batterien sind fast leer, also geht es weiter mit Motor um die Akkus zu laden- egal, der Wind war eh zu schwach.
In der Hafeneinfahrt von Schevingen sind Schwimmer zu sehen. Ich fahre vorsichtig näher und vermute spielende Kinder. Das Boot vor uns nimmt ebenfalls Gas weg, bis wir alle bemerken, dass es sich bei den Kindern um kräftige, glatzköpfige, junge Männer handelt, die versuchen die Boote zu entern. Das vorausfahrende Boot hat die Fender schon raus und bietet so gut Angriffsmöglichkeiten. Es gelingt dem Skipper nur mit Mühe die Burschen abzuschütteln. Danach entdecken diese unser deutsches Boot und konzentrieren sich mit wüsten Drohungen und Nazi-Beschimpfungen auf uns. Mit erhöhter Geschwindigkeit und im Slalom durchfahre ich die Strecke. Niemand wird verletzt, aber uns wird noch ein Hitlergruß mit der Drohung uns im Hafen zu finden hinterher gerufen.
wir liegen mitten zwischen Hochhäusern und Kneipen.

Der negative Ersteindruck wird im Hafen nicht besser. So schlecht haben wir in den Niederlanden noch nie gelegen. Aber wir können die Batterien laden.
Nächsten morgen geht es sehr früh raus aus dem Päckchen und mit der Tide fahren wir weiter nach Süden. Das Wetter ist wie immer, nur der Wind noch nicht da. Erst nachdem wir Hoek van Holland passiert haben, bekommen wir 2-3 Bf., später 4 Bf. Herrliches Segeln bis Stellendam, wir erreichen unsere bisher höchste Geschwindigkeit unter Segeln: 6,5 kn. 


perfektes Segelwetter


An der Schleuse Stellendam gehen wir nach "binnen" und übernachten in dem alten Hafen der Admiralität, in der kleinen Stadt Hellevoetsluis.
Alle sind sehr freundlich und hilfsbereit, einige verstehen sogar mein holländisch. Scheveningen wird auf dieser Reise eine unangenehme Ausnahme bleiben.
Haringsvliet bietet uns das ganze Segelvergnügen, Sonne, 5BF Wind und kaum Wellen, den nächsten Tag toben wir uns so richtig aus. Wir als Frieslandsegler sind es nicht gewohnt so viel Platz zu haben und dabei kaum auf das Echolot schielen zu müssen. Haringsvliet ist für uns ziemlich tief und es sind kaum Boote unterwegs - in der Hochsaison.
Die nächste Station ist Willemsstad. Es ist so heiß, dass ich gleich nach dem Anlegen ins Hafenbecken springe, um mich abzukühlen. Meine Frau zieht direkt die Dusche vor. Ich brauche sie nach dem Bad auch, das Hafenwasser stinkt.
Wir müssen uns wieder entscheiden. Weiter nach Süden oder nach Norden, binnen oder buiten. Der Wetterbericht sagt stabiles Sommerwetter mit wenig Wind für die nächsten Tage voraus. Wir entscheiden uns für die "Staandemastroute" nach Norden. Dann können wir uns in Ijmuiden ggf. wieder neu entscheiden wie es weiter geht. Außerdem waren wir noch nie in Haarlem.
Leider bedeutet die Route überwiegendes Fahren mit Motor, also nochmal vollgetankt und los zur ersten Station Dordrecht.
In Dordrecht werden wir vom Hafenmeister des Königlichen Ruder- und Segelclubs Dordrecht mit Freude empfangen. Er begleitet uns zu unserer Gästebox, hilft beim Festmachen und gibt uns gute Tipps zum Besuch seiner Stadt. Er ist wirklich stolz auf "seinen Hafen" und wir bleiben 3 Tage.
Danach geht es weiter über Gouda, Alphen zum Braassemermeer, wo wir mit sehr viel Wind empfangen werden. Unser Windmesser zeigt 7 BF, soviel hatten wir in diesem Urlaub noch nicht und wir sind froh, dass wir wieder einen guten Gastliegeplatz in der Marina bekommen. Die Marina ist für uns sehr ungewohnt, weil fast nur Motorboote hier liegen. Hier sind Segler fast Exoten.


unsere Tour durch Holland



  

Wir fahren nach Haarlem, vorbei an Häusern, denen man ansieht, dass die Eigentümer aus dem Gröbsten raus sind. 
Lt. Reiseführer von Jan Werner gibt es in der Stadt Liegeplätze mit Wasser, Strom und Duschen. Wir hangeln uns durch die Stadt von Brücke zu Brücke und alles ist voll. Hinter der Eisenbahnbrücke soll das Büro des Hafenmeisters mit freien Liegeplätzen sein. Als wir die Brücke erreichen, springt die Ampel auf Doppelrot. Es ist 21:00 Uhr und die Brücken werden geschlossen für die Nacht. Schnell wenden wir und fahren zurück ins Zentrum, wir rutschen noch gerade durch, bevor die anderen Brücken auch dicht machen. Tatsächlich finden wir noch einen Platz an der Straße und machen an den in die Straße eingelassenen Ringen fest.
Nächsten Morgen möchten wir weiter, haben aber ein Problem. Ein schwarzer Saab steht mit seinem rechten Hinterrad gerade auf dem Ring, an dem die Achterleine festgemacht ist. Wir sitzen fest. Der Fahrer ist nicht zu finden und ich versuche irgendwie den Saab von meinem Festmacher zu bekommen. Einen VW-Käfer konnte man früher locker aus den Federn heben- einen Saab von heute nicht. Letztlich habe ich mit viel Schweiß, Verrenkungen und moralische Unterstützung durch meine Frau unser Boot freibekommen- ohne den Festmacher zu zerschneiden und ohne das Auto zu beschädigen.

Wir erreichen den Nordzeekanal und das Wetter wird schlechter: Wind NW 5, in Boen mehr und Regen. Bei dem Wind wird es keinen Spaß machen in Ijmuiden raus und Richtung Texel zu segeln. Wir beschließen Amsterdam anzusteuern. Sixhaven ist eine traurige Metrobaustelle, im Forum hatte ich den Tipp gelesen, den Vereinshafen Aeolus (http://www.wsv-aeolus.nl) anzulaufen.
Ein guter Tipp, wir lagen sicher und die Vereinsmitglieder, die ehrenamtlich den Hafenmeister spielen, sind sehr freundlich. Die Umgebung ist gewöhnungsbedürftig und interessant. Wir konnten z.B. sehr gut beobachten, wer so alles gegenüber ins Bordell rein- und rausgeht.

Uns erreicht der Anruf unseres Nachbarn. Er fragt, ob er und seine Frau uns am Wochenende besuchen können. Klar, wir verabreden uns in Hoorn.

Auf der Fahrt nach Hoorn hatten wir unser erstes Gewitter in diesem Jahr auf dem Wasser. Natürlich hatte der Wetterbericht es angesagt und auf Kanal 1 kam stündlich der Hinweis auf "Onweersboien" (Gewitterschauer). Wir sind trotzdem überrascht worden. Abgesehen davon, dass ich nass bis auf die Haut wurde, haben wir ganz schnell das Einleinenreffsystem schätzen gelernt. Das Boot kam mit den Gewitterböen gut zurecht und wir erreichten Geschwindigkeiten über 7,5 kn. Allerdings fingen wir uns eine Menge Wasserpflanzen am Propeller und Ruder ein, unser Boot ließ sich nur mit Schwierigkeiten im Hafen manövrieren. Um den Prop wieder frei zu bekommen musste ich tauchen gehen. In der Brühe kann ich nur fühlen und die Taucherbrille verhindert lediglich, dass mir die braune Soße in Augen und Nase läuft. Aber was solls, das Zeug musste wieder weg.

Wir hatten Glück, das gemeinsame Segeln mit unseren Nachbarn fand dann bei bestem Segelwetter statt. Unsere Freunde fuhren nach Hause und wir entschlossen uns noch nach Enkhuizen zu segeln. Im Compagnieshaven 
blieben wir zwei Tage, das Wetter war wenig einladend: viel Wind mit viel Regen, dazwischen kam immer wieder die Sonne durch und es wurde teilweise tropisch und schwül. Früher war der Compagnieshaven immer der teuerste Hafen am Ijsselmeer. Gut, dass manche Dinge sich nie ändern. Über 20€ für die Box, Strom und Wasser extra, Dusche kostet einen Euro und ein Brötchen (Pistolet) im Shop 70 Cent. Trotzdem sind wir gerne dort!
Dafür konnte ich prima mit der Blinkerrute angeln, etliche gute Barsche und Hechte gingen an den Haken - leider kein Foto.

Wir freuen uns auf Medemblick und segeln durch Gewitterschauer den kurzen Trip am Vormittag mit einem Reff im Groß. In Medemblick genießen wir den lauen Abend im portugiesischen Restaurant (link) und beschließen am nächsten Tag zurück nach Heeg zu fahren.

Der Entschluss war goldrichtig, der Wetterbericht sagte für übermorgen Wind SW 8 Bf. voraus. Dann ist vor Stavoren mit einer unangenehmen Welle zu rechnen. So erreichen wir Heeg noch bei schönstem Sommerwetter und resümieren: es war ein erholsamer Urlaub mit einem tollen Boot. Beschreibung zum Boot siehe hier.



Wir haben tatsächlich die 2 ½ Wochen Sommer gehabt , die es in Holland in diesem Jahr gegeben hat.

 

Keine Kommentare: