lernen oder schön blöd?

Man lernt ja nie aus. Mit dem Segelboot auf dem Meer unterwegs zu sein, bedeutet auch sich immer wieder neuen Situationen zu stellen. Nach über 30 Jahren segeln kennen wir ja schon vieles, aber dennoch...

Wir legen in Fehmarn um 09:30 ab, fahren zur Tanke und füllen den Dieseltank voll. Das Wetter ist schön. Draußen setzten wir die Segel und hören uns an wie "DP07" über Funk in bekannter Manier den Wetterbericht verliest. Ich freue mich, dass mein neues Funkgerät, dass ich am Vortag eingebaut habe, so gut funktioniert.
Es gibt eigentlich nichts besonderes, der Wind wird mit etwa 6 Bft. ganz ok sein. Vereinzelt wird es kleine  Gewitter geben.Der Himmel über uns ist blau, nur ganz im Nordwesten ist ein dunkler Wolkenstreifen zu erkennen. Für uns aber kein Problem, wir genießen das Sommersegeln im T-Shirt.

Ich konzentriere mich darauf, die Geschwindigkeit von Rasma durch optimalen Segeltrimm und einem guten Kurs möglichst hoch zu halten. Laut GPS werden wir Kühlungsborn wohl etwa 17:45 erreichen. Rasma bummelt mit 4,5 Konten über die Ostsee.
danach kam ich nicht mehr zum Fotografieren.
Ingrid schaut ab und zu achteraus und stellt fest: "Da wirds dunkel!". Die dunklen Wolken kamen näher, wir beobachten interessiert die Wolkenveränderungen.
"Wenn wir das abbekommen, wird es wohl ungemütlich, was denkst Du? Segeljacken anziehen?"
 "Ach, nee, So wild wird das nicht".
Trotzdem rappel ich mich auf und reffe die Genua etwa zu 50 %. Man weiß es ja, solche Wolken bringen auch immer mehr Wind.
Über uns wird es dunkel, es wird Nacht.
Ingrid gibt mir doch meine Segeljacke, diese hatte ich noch nicht an, da ging das Unwetter los! Innerhalb von Sekunden frischte der Wind auf, Wir hatten plötzlich sehr viel Arbeit. Vorher fuhren wir einen angenehmen Halbwindkurs mit vollem Großsegel und 50 % Vorsegel, den konnte ich schlagartig nicht mehr halten. Rasma lag auf "der Backe" und ich ging auf einen raumeren Kurs. Im Augenwinkel konnte ich 24 Meter/Sek. auf der Windanzeige erkennen, das war für mich schwierig zu erkennen, da es unglaublich stark regnete. Die Wellen werden vom Regen niedergedrückt und wir surfen mit Rasma vor dem Wind. Für kurze Zeit glaubte ich alles im Griff zu haben.
 Ein plötzlicher kurzer Winddreher besorgte uns eine Patenthalse und das Großsegel schlug von Backbord nach Steuerbord, gleichzeitig verlor ich den Ruderdruck. Steuern war in dem Moment nicht mehr möglich und unser Boot legte sich auf die Seite, der Mast berührte fast das Wasser und ich flog über das Schiff, ohne Halt. Ingrid stand quasi auf dem Steuerbordsüll und konnte zusehen, wie ich ohne Halt fast von Bord geflogen wäre. Irgendwie fand ich doch Halt und ich stellte mich wieder hinter das Steuerrad  und konnte Rasma langsam wieder stabil auf Kurs bringen.Der Wind stabilisierte sich bei 8-9 Bft. und mit vollem Groß und der teilweise gerefften Genua konnte ich tatsächlich wieder auf einen Kurs in Richtung Mecklenburg-Vorpommern kommen. Wir fuhren eindeutig über Rumpfgeschwindigkeit mit bis zu 9 Knoten. Unter anderen Umständen hätte es Spaß gemacht. Nach und nach fiel die Windstärke auf 11-13 Meter/Sekunde und die Lage beruhigte sich. Kühlungsborn kam auf diese Weise schnell in Sicht und um 14:00 Uhr lagen wir sicher in der Box - eigentlich erwarteten wir unsere Ankunft ja erst gegen Abend.

Wie sagte ich anfangs: "Man lernt nie aus". Eigentlich hatten wir einen Routinetörn vor uns, locker und entspannt. Wir hatten beide keine Rettungswesten an, beide waren wir nicht mit Lifebelt gesichert und wir haben die Segel nicht gerefft, obwohl eigentlich klar war: da kommt was ! Zum Glück ist uns nichts passiert, am Schiff gab es keine Defekte und das Chaos unten im Boot blieb überschaubar.
Routine ist der Killer für die Sicherheit.





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