wie ein Pinguin an der Eiskante

Ein eigenes Boot haben wir schon seit mehr als 25 Jahren. Wir kennen den Wechsel der Jahreszeiten zur Genüge. Die Wartezeit in der Winterpause habe ich all die Jahre auf verschiedene Art und Weise versucht zu überstehen. Teile kaufen und einbauen. Routen suchen und mit Hilfe von – früher – Papierseekarten simulieren, heute mache ich das mit dem Notebook. Ich lese viel. Ich lese über Leute die segeln. Ich lese über die Orte, die wir ansteuern könnten oder auch besser nicht. Ich mache Checkliste für all die Aufgaben, die anfallen werden und stelle mir das nächste „erste Mal“ vor.
Jedenfalls geht die Zeit vorbei und das Boot kann wieder ins Wasser. Es kann wieder los gehen.
Nun passiert in mir etwas, ehrlich gesagt kann ich es gar nicht so richtig beschreiben.

Ich drücke es mal so aus: ich fühle mich vor der ersten Ausfahrt wie ein Pinguin
Quelle: view.stern.de
an der Eiskante. Die Pinguine zögern auch immer in das Wasser zu springen.
Ich zögere auch, bin unsicher, schaue was die anderen Segler machen und bleibe dabei länger am Liegeplatz als eigentlich geplant und wie in meiner Vorfreude vorgestellt.
Diese Vorfreude ist einer Art Unsicherheit, ich möchte nicht direkt Angst dazu sagen, gewichen.
Den Wind kann ich z.B. nicht mehr sicher einschätzen, mir ist das Gefühl für das Fahrverhalten abhanden gekommen, ich bin unsicher, ob ich alles gut vorbereitet und befestigt habe.
Zur Zeit kommt genau dieses Gefühl wieder hoch. Nächstes Wochenende wollen wir los und das Wochenende an Bord verbringen, dazu gehört selbstverständlich die erste Fahrt. Vorher noch einige Dinge erledigen, z.B. die Segel setzen, denn die liegen noch im Vorschiff. Der Wassertank ist noch leer und die Maschine braucht neues Öl.
Ich weiß jetzt schon, dass meine Verzögerungstaktik noch mehr solcher Aufgaben finden wird und wenn dann noch das Wetter…

Mal sehen, wie es in diesem Jahr laufen wird. Merkwürdig finde ich mich allerdings schon.

PS.
das Verhalten der Pinguine ist erklärbar,
Quelle: tiernah.com
keiner will als erster springen, da im Wasser der Seeleopard auf ihn warten könnte.

ich bin drin

Tief Niklas hat den Terminkalender zum Kranen durcheinander gebracht.
Gestern spätnachmittags wurde tatsächlich noch die CAPTAGON, eine 36er Jeanneau gekrant. Der Sturm hatte allen eine Menge Arbeit bereitet, vor allen Dingen das Setzen des Mastes war laut Ernst dem Hafenmeister eine echte Herausforderung, die er nicht wieder braucht.
Ich war für heute "standby" eingeplant und bin schon um 7:30 im Winterlager. Ich habe die Hoffnung, dass in den Morgenstunden
a.) noch keiner kranen will und
b.) der Wind und das Wetter noch halbwegs mitspielen.
Tatsächlich ist der Wind noch moderat, etwa 20/25 Knoten, d.h. ca.5-6 Beaufort, das würde ganz gut gehen.
Jürgen Kölln kommt um 8 Uhr und wir tauschen uns aus. Das Ergebnis war für RASMA super: wir kranen sofort.

Mit dem Auto fahre ich schon mal rüber zum Kran und spreche mit Ernst Hoff  über das Vorhaben, der weiß auch schon Bescheid.

da kommt RASMA quer durch die Baustelle

Für mich kommt jetzt noch die Aufgabe, hochklettern und das Achterstag und die Dirk abbauen, damit die Traverse des Krans keinen Schaden anrichten kann. Wir kranen unser Boot ja mit montiertem Mast.
Aber zunächst muss Kölln-jun. sein fahrerisches Können zeigen und den Trailer durch die enge Baustelle zum Kran bugsieren.
Ich bin sicher, ohne unseren vielen und lautstarken Anweisungen hätte er das nie geschafft. Aber der Junge hatte gute Nerven.
Komisch, ich hatte die ganze Zeit nur die Sorge, dass der Wind wieder stärker wird und ich dann hochklettern muss, um das Stag zu lösen.

Einige Stellen müssen ja auch noch mit Antifouling gestrichen werden. Überall wo RASMA auf dem Lagerbock auflag, d.h. unter den Seitenstützen und
noch war das Wetter super!
dem Kiel,  konnte ja nicht gestrichen werden. Im Kran hängend waren die Stellen frei und wir konnten alles Notwendige tun. Die Aktion war schnell vorbei und es konnte gekrant werden. Der Wind hatte inzwischen wieder zugelegt und der Himmel verdunkelte sich bereits wieder im Westen.
Die Bauarbeiter mußten während unsere Aktion ihre Arbeit unterbrechen, waren aber recht geduldig mit uns.
Ernst und Henry machten ihren Job wie immer perfekt und ich konnte um 09:30 testen, ob der Motor startet. Das ist jedes Jahr eine echte Stresssituation!
Tat er brav.

Es war mittlerweile wieder stürmisch geworden und mir stand nun bevor, RASMA an ihren Platz zu fahren.
Ernst und Henry gingen schon mal zu meinem Steg. Wir hatten vereinbart, dass sie die Leinen annehmen und mir beim Anlegen helfen. Ehrlich gesagt, ohne die beiden hätte ich es bei dem Sturm nicht geschafft, gegen den Wind das Boot an den Steg zu bekommen. Regen- und Hagelschauer taten ihr Übriges, um mir das Manöver schwer zu machen.
jetzt fehlen nur noch die Segel
Mit 4 Festmacherleinen und 4 Fendern habe ich RASMA "angeschnallt"! Das sollte halten (hoffentlich).
Einige Kleinigkeiten am Boot waren jetzt noch zu tun, aber eigentlich war meine Aktion "Wiederbelebung 2015" damit abgeschlossen.
Tiefe Zufriedenheit!