Bürogedanken


In meinem Büro hängt diese Seekarte von der Ostsee.
Immer wenn ich den Kopf hebe und über den Monitor meines Rechners hinweg sehe, kann ich die Karte studieren. Besonders schön ist der Blick beim telefonieren, egal wie unangenehm der Inhalt des Gesprächs auch ist, diese Seekarte hebt meine Stimmung immer.
Ich habe diese Karte vor etlichen Jahren von einem jungen Segler aus Schottland geschenkt bekommen.
Wir lagen damals mit unserer GibSea "Arethusa" im Hafen von Wangerooge. Zusammen mit einigen Holländern haben wir dort Schutz vor einem ordentlichen Nordwest-Sturm gefunden.
Es war schon Nacht, so gegen 23:30 Uhr, als es an unsere Bordwand klopfte und eine nasser Wuschelkopf zu sehen war.
Ein junger Mann, mit arg einem strapazierten Tweedsakko bekleidet, fragte auf englisch ob er an Bord kommen dürfe. Das war selbstverständlich.
Er war dankbar, dass wir ihm noch etwas zu essen und zu trinken angeboten haben, den Beerenburg hat er auch nicht abgelehnt. Er erzählte uns, dass er zusammen mit seinem Kumpel aus Glasgow sei und mit seinem Segelboot die norwegische Küste bereist hätte. Nun waren sie auf direkten Weg von Norwegen nach England bzw. London unterwegs und die beiden hat das schwere Wetter erwischt.
Mit ihrem flachgehenden Holzboot (27ft) haben sie auch in den Hafen der Insel Wangerooge gefunden und auch ohne Schaden erreicht. Unser Respekt war hoch, das konnte nicht leicht gewesen sein. Der Respekt stieg bis zur Bewunderung für die seemännischen Fähigkeiten, als er berichtete, nur mit einer alten Straßenkarte und einer Art Leuchtfeuerverzeichnis die Insel Wangerooge gefunden zu haben. Seekarten für die deutsche und holländische Nordseeküste hatten die Beiden nicht dabei, aber wohl eine Menge Gottvertrauen. Deshalb hatte unser Gast auch die Bitte, unsere Seekarten der Küste bis Texel abzeichnen! zu dürfen. Pergamentpapier hatte er dafür schon mitgebracht.
Ich hatte so ziemlich alles an notwendigen Karten doppelt an Bord und wir haben gemeinsam ausgesucht. Wir schenkten dem jungen Schotten die Karten, tranken gemeinsam noch ein Bier und gingen anschließend schlafen.
Maßstab 1:1.500.000, da ist alles drauf
Am nächsten Morgen lag an Deck unseres Bootes die Seekarte, die heute an meiner Bürowand hängt. Das kleine Holzboot unseres nächtlichen Gastes war bereits ausgelaufen und nicht mehr zu sehen.


Winterzeit = Wartezeit

Jede Winterpause geschieht dasselbe!

Die Tage werden kürzer und meine Ungeduld wird größer.
Das Boot ist leider zu weit weg, als dass ich mal eben hin könnte und die enorm wichtigen Arbeiten erledigen könnte. Stattdessen klicke ich in die einschlägigen Internetforen und lese mit.
Dort tobt das Leben:
Der eine renoviert seine Elektrik, der andere denkt über eine Veränderung des Innenausbaus nach. Das werden Motoren aus- und wieder eingebaut, Decks neu belegt und Antifoulingtests gestartet. Man holt sich Tipps und löst Diskussionen aus.
Und ich?
Ich lese meinen Palstek (Segelmagazin), schaue in die Blogs z.B. Paulinchen, ordne meine Bücher und mache Todo-Listen für das nächste Frühjahr. Hauptsache es hat irgendwas mit Segeln zu tun.

Zur Zeit berichtige ich meine Seekarten der Ostsee mit den ausgeschnittenen Korrekturen vom NV-Verlag. So sieht das aus:
 

Ausschnitte des Monatlichen Berichtigungsservice (MBS)



Dazu drucke ich maßstabsgetreu die erhaltenen PDF-Dateien aus und anschließend werden die einzelnen Seekartenausschnitte fein säuberlich mit einer Schere ausgeschnitten. Eine Geduldsarbeit, denn schließlich liegen auf meinem Schreibtisch nicht weniger als 65 DIN A4 Seiten, die bearbeitet werden wollen. Wenn ich zu langsam bin, kommen im nächsten Monat ca. 20 Seiten dazu und der Berg wächst weiter an.
Als nächstes wird das Blatt des zu korrigierenden Kartensatzes gesucht und ich kann versuchen meine ausgeschnittenen Kartenschnippel zu platzieren. Da muss sehr genau geschehen.
Meine Versuche von Ingrid Hilfe dazu bekommen sind leider gescheitert, dabei hätte ich sie bestimmt gut eingearbeitet.
Mit Klebestift werden die ausgeschnittenen Korrekturen aufgeklebt und anschließend die so aktualisierte Karte zum trocknen zur Seite gelegt. Leider werden die Seekarten durch diese "Aufkleber" immer dicker und unflexibler. So geht das stundenlang und wahrscheinlich auch noch einige weitere Abende lang.
Es dauert natürlich auch deshalb lange, weil ich beim Blick auf die Seekarten zu träumen beginne, ich mach Pläne für Törns, schaue welche Häfen es gibt, wie diese ausgestattet sind, usw. Das dauert halt.
Zur Zeit bin ich klebetechnisch in den Westschären "aktiv", das sieht sehr interessant dort aus. Ich kenne leider niemanden, der dort schon gesegelt ist. Mal sehen, was das Internet mir dazu an Informationen und Erfahrungsberichten bieten kann.
Wenn jemand Infos für mich hat, bitte einfach schicken.
Vielleicht wir daraus ja eine Törnplanung für das nächste Jahr.